Infoportal Onyx Boox Nova Air C Review / Testbericht

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Volles Android 11 - würde man meinen! Der eInk-Bildschirm sorgt naturgemäß für Abstriche und die vergleichsweise schlechte Software der Chinesen (wenn man sonst mit Samsung und Co. "verwöhnt" wird) tut ihr übriges. Wer sich zu helfen weiß und mit Abstrichen leben kann, wird das Nova Air C jedoch gerne verwenden.

Ja, primär haben eInk-Displays (hier ist das Kaleido Plus verbaut, welches zum Zeitpunkt des Reviews schon vom Kaleido 3 abgelöst wird) den Fokus auf statische Inhalte. Aber ich bin ein Nerd, mich reizen diese Displays wegen der irre guten Ablesbarkeit in Tageslicht ohne den Akku im Minutentakt leerer werden zu lassen, weil man keine künstliche Beleuchtung braucht - und weil das endlich mal wieder "was Neues" ist, vor allem mit Farbe. Speaking of: es sind 4096 Farben, die mit einer Auflösung von 100dpi angezeigt werden. Geht man auf Schwarz-Weiß-Inhalte, dann sind es 300dpi. In Pixel löst es mit 1872x1404 auf. Im richtigen Aktualisierungsmodus sind Videos auch vertretbar beworden:

Softwareseitig kommt es in Version 3.3 mit drei Bildschirmoptimierungs-Modi:
- Normal - das aktualisiert den EInk vollständig und entfernt Ghosting, man hat dann aber max. 5fps und es ist nichts für weiches scrollen, das flackern des Bildschirms ist unschön für das Auge. Deshalb hat Onyx mitgedacht und sobald mal scrollt aktiviert sich der Modus "Speed" - bis man aufhört zu scrollen, dann schaltet es auf "Normal" zurück.

- Speed - Aktiviert ein Dithering, Farben werden reduziert und Bilddetails entfernt, dadurch muss das Display insgesamt weniger Details aktualisieren. Es finden nur partielle Aktualisierungen des Displays statt, das Ghosting wird sichtbar. Die Bildqualität leidet unter Dithering und schafft etwa 10fps.

- A2 - Wie Speed nur werden noch weniger Teile vom Bildschirm aktualisiert. Das sorgt für einen Schub auf etwa 15-20fps, Videos werden möglich. Hier zwei Fotos vom Bildschirm - einmal im A2 Modus nach einigen Seitenwechseln und scrollen, sowie mit frischem Vollbild-Refresh zum Vergleich:


Um das scrollen zu vereinfachen und die Bedienbarkeit zu steigern, bietet die Firmware 3.3.2 drei Belegungen für die Cover-Buttons an, die da wären:
- Page-turn, ähnlich PgUp und PgDn am Computer wird eine Seite geblättert
- Volume, Lauter und leiser stellen der Tonausgabe (Android-Standard)
- Scrolling von x-y%, hier scrollt die Seite. Stellt man etwa 20-80% ein, so werden 60% einer Bildschirmseite weiter gescrollt. Was am Seitenende in den letzten 20% stand, wird dann in die ersten 20% hoch gescrollt. Bei 10-90% dann 80% usw.

Selbstverständlich kommt es darauf an was die Android-App, für die die Einstellung gewählt wird, kann. Firefox etwa kann keinen Page-turn (es passiert nichts), dafür scrollen. EinkBro kann aber wieder nicht scrollen, sondern nur Page-turn. Reddit wie immer ganz vorne dabei bei den schlechten Apps, die einfach gar nichts gescheit machen wollen: es kann sowieso nur die Lautstärke steuern, was den Android-Default darstellt.
Firefox bringt seine eigene Rendering-Engine mit und da wird im "Normal"-Aktualisierungsmodus nicht automatisch auf "Speed" umgeschalten während des scrollens, weil der Bildschirmtreiber das scrollen im Firefox nicht erkennt. EInkBro, der auf Chrome/Webview als Rendering-Engine zurück greift, hat damit kein Problem. Mal sehen ob Onyx nachbessert, ich hab aber keine Hoffnung. Zumindest reagiert der Fuchs auf den Scrolling-Cover-Button.

Akkuverbrauch

Das Android auf dem Tablet ist standardmäßig auf extremes Stromsparen eingestellt und alle Apps und Dienste im Hintergrund werden beendet. Das kann man aber im App/Akku-Manager für jede App einzeln deaktivieren (für Outlook, Musikplayer oder Firefox wäre das etwa notwendig).
Ansonsten ist der Verbrauch hoch wie bei jedem anderen Android-Tablet, wenn man surft und der Bildschirm oft aktualisiert. Dreht man die Beleuchtung (Warmweiß und Kaltweiß sind voneinander unabhängig steuerbar) auf, wird der Akku noch schneller leer. Im Sonnenlicht mit eher statischen Inhalten hat es aber gegenüber beleuchteten LCD/OLED, etwa verglichen zu meinem Laptop, die Nase weit vorne.

Leistungsdaten

Der Hauptprozessor ist ein Snapdragon 662. Als der 2020 neu war, war er schon nur in Mittelklassesegment vertreten. Man muss bedenken, dass Android-Apps häufig viel Leistung abverlangen und das über die Jahre nur schlimmer wird. Ein alternder 662er läuft dann immer öfter auf voller Leistung um reaktionsschnell zu bleiben, das saugt dann den Akku immer schneller leer.

Die integrierte Adreno 610 Grafikkarte, ein Einsteigermodell, kann die üblichen Videoformate H264, H265 (HVEC 8/10bit), VP8, VP9 dekodieren und in H264 auch enkodieren (ist für Video-Editoren wichtig). AV1 kann sie gar nicht.

Durch die relativ schwache Hardware hat man bei großen, hochauflösenden PDFs, die etwa Zeitschriften-Scans enthalten, extreme Ladezeiten zu verschmerzen:

Softwareseitige Schwachstellen

Onyx ist eine chinesische Firma, die gerade erst dabei ist sich im eInk-Markt breit zu machen. Das merkt man auch, da die Software offenbar nur von wenigen Mitarbeitern mit teils unprofessionell wirkenden Ergebnissen entwickelt wird. Andere eInk-Firmen wie Hisense sind aber auch nicht wirklich besser, teils schlechter. Auf Reddit werfen viele Onyx vor zu viele, zu ähnliche Geräte in viel zu kurzen Abständen freizugeben und sich nicht auf deren Softwarequalität zu konzentrieren. Gehen wir auf die gröbsten Mankos von Onyx ein:

Deutsche Übersetzung völlig verhunzt, dann lieber Englisch
Die von Onyx Boox kommenden UI-Einstellungen sind offensichtlich nur mit einer maschinellen Übersetzung übersetzt worden. Während ein Menüpunkt im englischen "Show Optimization-off Badge" ("Zeige Bildschirmoptimierungs-Indikator auf App-Symbolen") heißt, nennt sich dieser in der deutschen Übersetzung "Batch-Modus", was natürlich etwas ganz anderes ist. Ich empfehle also Englischkenntnisse, wenn man das Tablet nutzen will.

Der Input-Lag fernab nativer Apps
Auch nicht erwähnt von vielen Produkttestern wird der deutliche Input-Lag bei Stifteingaben, wenn man Apps von Drittanbietern nutzt. Lediglich die native Onyx-App kann mit einer schnellen Reaktionszeit überzeugen.
Diese hat aber keine Anbindung an "die Großen" wie Whiteboard, Excalidraw und OneNote. Die Letztgenannte erfuhr mit der Dezember 2022-Version allerdings ein Update, welches die Reaktionszeit für eInk-Displays optimierte - und zieht damit gleich mit der nativen Onyx-App.


Die Standort- und Lagefrage
Was gänzlich fehlt ist ein Pivot-Sensor und GPS. Das bedeutet, dass man den Bildschirm nur manuell drehen kann und auf Standorterkennung via WLAN/Bluetooth angewiesen ist. Gut - es ist ein eReader und kein Navi, aber es hat Android und ich möchte vielleicht auch eine App wie Grindr nutzen und möchte keine IP-basierte Standorterkennung, die mich 1 km weiter ortet. Android ist ja auch der Grund warum es kein Kindle wurde.
In den Entwickleroptionen konnte ich "FakeGPS" nicht als Standard GPS-Handler eintragen, da die Standard-Android-Einstellungs-App, welche für sich schon nur durch die PlayStore-App "Hidden Settings" aufrufbar ist und offiziell nicht zugreifbar ist, dabei abstürzt. Vermutlich fehlt ein GPS-relevantes Modul im Betriebssystem auf welches die Einstellungs-App zuzugreifen versucht und sich daran aufhängt.
Ich musste daher das Tablet mit dem PC verbinden und die GPS mocking app via ADB festlegen: adb shell appops set <APP PACKAGE NAME> android:mock_location allow sowie adb shell appops get <APP PACKAGE NAME> android:mock_location. Damit klappt es und "Fake GPS" scheint dann auch in der Android-Einstellungs-App auf.

DRM-Geschützte Streams schauen ist nicht
Obendrein muss man ein von YouTube-Influenzakranken verheimlichtes und dennoch offensichtliches Problem ansprechen: Es gibt keinerlei DRM-Fähigkeit bei dem Tablet, eine Widevine-Zertifizierung (selbst L3) fehlt. Der Bildschirm kann kein HDCP obendrein. Schlecht programmierte Apps wie ORF TVthek crashen daher beim Versuch Live-Übertragungen abzuspielen, weil ein DRM-Modul fehlt. MagentaTV wirft nur einen Fehler -2031 anstatt zu streamen. Verwunderlich, aber ich bin froh darüber: Amazon Prime Video geht.

Security gone wrong
Onyx Boox lieferte noch nie Sicherheitspatches für deren Android 9/10/11-Geräte, was eine sinnvolle Verwendung in Firmenumgebungen verunmöglicht. Der hippe Durchschnitts-YouTube-Reviewer bekommt das im Normalfall nicht mit und erwähnt es auch mit keinem Wort - immerhin muss man die Einstellungs-App, die das Patchlevel offenbart, erst umständlich mittels der Zusatz-App "Hidden Settings" aufrufen.
Kurzum: Mein brandneues, im Oktober 2022 gekauftes, Nova Air C ist noch immer auf Patchlevel November 2020.

Rooten will man nicht
Im WWW gibt es einige, die es geschafft haben das Tablet zu rooten, allerdings nur vor Systemversion 3.3. Noch keiner hat aber Widevine L3 in das offizielle ROM rein bekommen oder es überhaupt versucht. LineageOS und Co. sollte man sowieso nicht flashen, weil sonst die ganze Onyx-Zusatzsoftware für die eInk-Displaysteuerung verloren geht. Wer will schon im dauerhaften Normal-Refreshmodus scrollen...

Yo, I'll tell you what you want, what you really, really want

Nicht einer der obigen Kritikpunkte wurde in mir bekannten YouTube-Testvideos erwähnt. Mit den Abstrichen bleibt mir trotzdem ein leichtes, hardwareseitig gut verarbeitetes Gerät über, welches seinen Sinn und Zweck erfüllt - outdoor wie indoor: lesen, surfen und ein bisschen Video schauen. Auch in der Therme, wo Handys oder andere Geräte mit Kamera verboten sind und mich ein einfaches Buch in den Pausen zwischen dem Schwimmen schnell langweilt. Meetingnotizen in der Arbeit klopfe ich aber trotzdem mit der Tastatur in den klobigen Firmenlaptop, alles andere wäre ein sicherheitstechnisches Vergehen. Wer sich das Gerät auch anschaffen will, dem lege ich die folgende Softwareauswahl ans Herz:

Downloads

• Hidden settings app  ermöglicht den Zugriff auf die offizielle Android-Einstellungs-App, wie etwa Developer Options
  
• FakeGPS app  erlaubt einen GPS-Standort vorzugeben
  
• FakeGPS via ADB.EXE als Mock-App festlegen 
  
• Total Commander für Android  eine Dateiverwaltung, Zugriff auf Systemordner
  
• F-Droid  ein OpenSource-App-Store
  
• Aurora-Store  alternativer PlayStore-Client um irrtümlich als imkopmpatibel markierte Apps aus sicherer Quelle zu installieren, da es andere Geräte vortäuschen kann
  
• DNS66  ein systemweiter Adblocker auf VPN-Basis, der mithilfe von einstellbaren DNS-Servern, Adblock/uBlock/Hosts-Listen arbeitet
  
• Firefox Browser  kann mit Addons wie uBlock und vielen Privatsphäreoptionen überzeugen. Bisher funktioniert das automatische Umschalten auf A2-Modus beim scrollen nicht, sollte also dauerhaft in A2 benutzt werden. Die Nightly-Variante erlaubt freiere Einstellungen auf der about:config-Seite, die in der Standard-Version für Android fehlt.
  

Ich empfehle auch, sich bei den Nerds auf Reddit schlau zu machen, es gibt mit r/Onyx_Boox  einen eigenen Sub für die Marke, eröffnet von Onyx selbst (es tummeln sich also Mitarbeiter von Onyx dort herum). Im Idealfall schaut man auch bei r/eink  vorbei, ein unabhängiger Sub.