FREAKED'S RETROSPACE - Keeping old technology alive

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Infoportal * Windows auf Tablet-PCs - Eine Retrospektive

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Windows und Tablet, das ist spätestens seit dem Windows 8-Desaster jedem ein Begriff. Allerdings reicht die Geschichte von Tablet und Windows bis ins Jahr 1992 zurück und war spätestens Anfang der 2000er von Fehlschlägen und -entscheidungen geprägt, für die am Ende der als unkündbar angesehene CEO und Mitbegründer Microsofts, Steve Ballmer, seinen Hut nehmen wird müssen. Eine Retrospektive.

Die Anfänge

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Bild ohne BeschreibungSchon Anfang der 1990er Jahre waren Tablets, wie wir sie heute kennen, im Umlauf. 1989 debütierte das GRiDPad: Basierend auf einem 8088 Prozessor und - man möchte es kaum glauben - MS-DOS beherrschte es bereits Texterkennung durch einen kabelgebundenen Eingabestift. Die Lösung war aber noch proprietär und der Erfolg bescheiden. Verwendung sollte das Tablet etwa bei Lagerverwaltung, Polizei, im Krankenhaus und anderen Tätigkeiten finden, bei denen Datenerfassung im Vordergrund steht. Es konnte sich dort aber nicht etablieren, da es mit einem Einstiegspreis von inflationsbereinigten 5240 US$ als zu teuer erwies.

Trotz allem zeichnete sich ein erster Hype um diese neuartigen und humaner wirkenden Geräte ab. Man darf nicht vergessen, dass das gemeine Büro damals noch zum Großteil analog organisiert wurde, Handschrift also gang und gäbe war und das besonders für das papierlose Büro der Zukunft von Bedeutung schien.

1992 steigt Microsoft dann auf den Hype auf: Windows for Pen Computing 1.0

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Bild ohne Beschreibung Im Jahr 1992 feierte Microsoft mit Windows 3.1 einen großen Erfolg und löste sich endgültig von IBM los. Parallel zur Entwicklung von NT 3.1, der ersten Business-Version von Windows ohne MS-DOS, wurde auch an einer neuen Art von Eingabemethode für das Consumer-Windows gefeilt.

Das Licht der Welt erblickte Windows for Pen Computing schließlich 1992 in Form einer Betriebssystemerweiterung. Als Basis dient ein reguläres Windows 3.1, unter welchem Pen Computing installiert wird. Vertrieben wurde diese Erweiterung allerdings nur via OEM, die es Tabletcomputern beilegten.

Die Pen-Addons, wie man heute sagt, waren eine Handschrifterkennungs-API, Touchscreen/Pen-Treiber, eine Bildschirmtastatur, ein Notizblock mit OLE-Support zur Einbindung von Grafiken und anderen Medien, etwa Handschrift, sowie ein Handschrifterkennungs-Trainingsprogramm, mit welchem die Software auf die eigene Handschrift trainiert werden kann.

Kaum zu erwarten war der Erfolg dieser Geräteklasse aufgrund des enormen Preises weiterhin bescheiden. Es gab zwar mehr Hersteller, die auf den Windows for Pen Computing Zug aufgesprungen sind, aber keiner davon bot ein erschwingliches Gerät an. Der oben gezeigte Text GRiDPad 2260 (Externer Link) stach besonders hervor: Er war der erste echte Convertible mit Tastatur, über die per Slide-Mechanismus der Bildschirm gelegt wurde. Aber auch er war viel zu teuer für die breite Masse und verschwand bald aus den Regalen.

1995: Windows for Pen Computing 2.0 für Windows 95

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Bild ohne Beschreibung Pünktlich zum Hype um Windows 95 - die Menschen standen Schlange in Einkaufszentren um eine Kopie erwerben zu können - erschien auch das neue Pen Computing Addon 2.0. Im Endeffekt änderte sich nicht viel zum Vorgänger außer, dass die Handschrifterkennung besser wurde und mit Schreibpalette ein extra Tool zur Eingabe von Handschrift mit anschließender Konvertierung in Text für Stift-imkompatible Programme hinzugekommen ist. Umständlich musste man jeden Buchstaben einzeln eingeben, damit diese erkannt werden.

Bei jedem Textfeld wird nach Installation der Pen-Addons ein A-Button angezeigt, der mit einem Klick die Bildschirmtastatur öffnet.

Bekannter wurde zu der Zeit Fujitsu mit seiner Stylistic-Serie, die sich ausschließlich auf Pen-Computing konzentriert. Etwa wird ein Stift-kompatibles BIOS verwendet und Hardware-Buttons für Bildschirmkontrast und -helligkeit verbaut. Rechts gezeigt ist der Stylistic 1000, ihr erster nennenswerter Tablet PC.

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Insgesamt blieben die Tablet PCs wieder hinter den Erwartungen zurück. Es gab so gut wie keine auf Touch/Stift optimierte Software und die Anwender sahen hinter einer deutlich langsameren Eingabe per Stift bei höheren Anschaffungskosten keinen Nutzen. Internet unterwegs war ohnehin überhaupt noch kein Thema, es kamen gerade die ersten Webbrowser wie Netscape auf und sollten die Welt erst umkrempeln. Spielen und ergonomisch arbeiten konnte man am stationären PC einfach günstiger und besser.

Die Jahre danach wird es still um Tablets

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Bild ohne BeschreibungMicrosoft selbst gab das Produkt nach 2.0 erst einmal auf, da man mit Tablet PC-Software keinen nennenswerten Erfolg hatte und andere Themen, etwa der berühmte Browserkrieg den Fokus auf zu der Zeit für sie wichtigere Dinge lenkte. Entsprechend kamen für Windows 98, ME und 2000 keine Touch bzw. Stifterweiterungen mehr auf den Markt.

Unabhängig davon setzten Hersteller wie Fujitsu weiterhin auf das Nischenprodukt und schwenkten auf eigens entwickelte Softwarelösungen um, so sind um die Jahrtausendwende herum die Tablets LT C-500 und LT P-600 beliebt gewesen. Sie setzen auf Windows 98SE und 2000 und bieten z.B. transflektive Bildschirme für die Nutzung im Sonnenlicht.

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2002 versucht Microsoft es erneut: Windows XP Tablet PC Edition

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Bild ohne Beschreibung 2001 war das Jahr in dem Microsoft mit Windows XP die 9x- und NT-Schiene in einem Produkt vereinheitlichte. Dies bedeutete freilich nicht, dass die Produktauswahl verschlankt wurde, denn Windows XP wurde bis zu seinem Supportende in vielen verschiedenen Versionen herausgebracht.

So war 2002 eine Neuauflage für Tablets, genannt Tablet PC-Edition, mit am Start. Sie führte eine Unterstützung für druckempfindliche Stifte ein (besser bekannt als Wacom Digitizer aufgrund deren Bekanntheit durch Grafiktabletts welche ähnlich funktionieren), mit welchen je nach Druck auf den Bildschirm stärker oder schwächer gezeichnet werden kann, was etwa künstliche Zeichnungen mit Buntstift ermöglicht. Auch wurde eine Hovererkennung, also das Stift über statt auf dem Bildschirm halten, als Lizenzvorgabe an OEMs festgeschrieben. Aktiv genutzt wurde diese Hovererkennung meines Wissens nach aber nie, später mit dem Auftreten von UMPCs lies Microsoft diese Vorgabe auch fallen, um Hardwarekosten zu senken und resistive Bildschirme mit Fingereingabe zu ermöglichen.

Abgesehen davon gibt es ein runderneuertes onscreen Eingabepanel für Handschrift und Tastatur, eine Neuauflage des aus Pen 1.0 bekannten Notizblockes in Form von Windows Journal und Sticky Notes sowie erstmals einem Spiel namens InkBall.

Tablets wurden vor allem für datenverarbeitende Firmen und Vertreter interessant, etwa das Compaq TC1000 und später das HP TC1100 (am Bild) haben eine relativ weite Verbreitung gefunden.

Die Tablet-Ausrichtung von Windows war aber weiterhin stiefmütterlich. Bedienelemente waren für Fingereingabe oftmals zu klein, scrollen durch wischen mit dem Stift oder Finger waren vor dem iPhone 2007 gar kein Thema. Microsoft hielt am Stift als Mausersatz eisern fest.

2006 startet Projekt Origami und die Ultra-Mobile PCs (UMPC)

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Im Jahr 2006 begann Wintel, wie der co-abhängige Verbund aus Microsoft und Intel liebevoll genannt wurde, damit das Projekt Origami anzuteasern. Hierzu wurde unter origamiproject.com (Externer Link) ein 3 Wochen andauernder Countdown gestartet. Die wöchentlich erneuerten Teaser basieren auf Flash, weshalb die Seite im Web-Archiv heute leer erscheint. Ich habe sie in der Datei origamiteaser.rar mit dem Standalone Flash-Player gepackt zum nachsehen. Am 9.3.2006 wurde dann eine neue Klasse an Geräten, die UMPCs, angekündigt und die Seite www.microsoft.com/umpc (Externer Link) ging live.

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Intel einerseits und Microsoft andererseits versprachen kleine, leistungsstarke sowie touch-basierte Multimediageräte welche sich zwischen den damals weit verbreiteten PDAs und Laptops einfinden sollten. Diese sollten einen resistiven Touchscreen mit mindestens 800x480, Kameras sowie durch den Anwender konfigurierbare Hardwarebuttons mitbringen - für rund 600 US$. Einer der ersten Hardwarepartner war Samsung, die schon bei Windows for Pen 1.0 mit an Board waren. Der Samsung Q1 wurde schließlich als erster UMPC-Vertreter ins Rennen geschickt und kam mit einem Celeron M ULV mit 1,2 GHZ, 512 MB RAM, 800x480 Auflösung und der XP Tablet PC Edition 2005. Die Preiserwartung erfüllte er mit 1100 US$ allerdings bei weitem nicht.

Im Zuge von Projekt Origami entwickelte Microsoft das was erst als Microsoft Touch Pack for XP bekannt und später als Origami Experience für Vista neu aufgelegt wurde. Es handelt sich beim Touch Pack um einen eher lieblos zusammengeschusterten, jedoch touch-optimierten Programmstarter, ein Sudoku-Spiel für Stifteingabe und ein Programm, welches 10 (auch ohne dem Pack vorhandene) Einstellungen von XP gleichzeitig verändert, um es praktikabler für 800x480 auf 5-7" Bildschirmen zu machen. Startete man ein Programm über den Programmstarter wurde man auch schon wieder auf einen Finger-Touch-feindlichen Windows Desktop zurück geworfen, der einen Stift oder eine Maus verlangte.

Bild ohne Beschreibung Letzten Endes war 2006 auch das Jahr von Windows Vista. Wir wissen alle wie verschrien es für seinen Hardwarehunger ist. Die OEMs bzw. Microsoft machten den Fehler trotz schwacher Hardware relativ bald von XP auf Vista umzusteigen und das Ergebnis war mehr als nur nicht zufriedenstellend für die Anwender.
Die Geräte waren empfindlich teurer als Laptops gleicher Leistung und am Ende sah man erst nur einen Wartekringel, weil Vista mit 512 MB RAM und einer 4200rpm Festplatte malträtiert wurde. Das mal abgesehen von der viel zu geringen Auflösung der ersten Generation, die eine ordentliche Bedienung von Vista - man denke hierbei an die Unzahl abgeschnittener Dialoge bei nur 480 Pixel Höhe - verunmöglichte.
Einmal mehr entpuppten sich die Geräte daher als Rohrkrepierer, diesmal aber mit Häme der Öffentlichkeit dank wochenlangem anteasern einer Revolution seitens Intels und Microsofts, die nur eine Enttäuschung zur Folge haben konnte, weil Hard- und v.a. die Software nicht reif waren.

2007 kam dann eine wirkliche Revolution auf den Markt: Apple hat sein erstes iPhone vorgestellt. Es war bahnbrechend! Ein Gerät, welches nur mit den Fingern bedient wird und eine extra dafür entwickelte Oberfläche mitbringt, die bis ins kleinste Detail darauf optimiert wurde. Klein, leicht und verdammt schnell war es obendrein. Es konnte alles was ein UMPC und PDA konnte in einem Gerät, es gab also auch keinen Grund mehr sich zusätzlich einen UMPC zuzulegen.
Der Schock saß nicht nur beim sich auf früheren Erfolgen ausruhenden Nokia tief: Auch Microsoft musste einsehen, dass ein vollwertiges Windows auf Touch-Geräten, so wie es sich 2007 präsentierte, nicht massentauglich war. Es verlangte zu schwacher Hardware zu viel ab und die Hardware wollte keiner mehr haben.

Bild ohne Beschreibung Microsoft brachte trotzdem bis 2009 für Vista verbesserte Programmstarter, etwa das Origami Experience Pack 2.0 und etliche kleine Helferlein für XP Tablet PC-Edition heraus (ich habe sie alle im Web Archive gesammelt (Externer Link)), ebenso kamen von den Hardwarepartnern (Sony mit Vaio UX, Samsung mit Q1 Ultra (Premium), OQO mit Model 2) noch verbesserte Versionen ihrer UMPCs heraus, aber sie blieben für ein vollwertiges Windows weiterhin einfach zu teuer und schwach.

Bild ohne Beschreibung Das Origami Experience in 2.0 wird auf dem Bild links und rechts gezeigt. Hierbei handelte es sich um denselben Programmstarter wie schon beim Touch Pack für XP, jedoch nun mit skalierbaren Grafiken statt PNGs für die Texturen, womit sich seine Oberfläche auch endlich nicht verwaschen darstellt.
Version 2.0 fügte dann auch noch eine Gadget-Übersicht hinzu, bot aber gegenüber der Sidebar und ihren Gadgets auch keinen Mehrwert.

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Nicht nur, dass Apple mit dem iPhone den Markt aufrollte, kamen von ASUS relativ zeitgleich auch die ersten EeePCs, die den Netbook-Hype anzettelten. Netbooks sind tatsächlich einfach nur Laptops in kleiner und leistungsschwächer, sind dafür deutlich portabler und leichter. Ihr großes Plus war der Preis: Ein Noname-Netbook gab es tatsächlich schon ab 300 US$, vergleichen zu den 1000 US$ des zuvor gezeigten Samsung Q1U. Netbooks waren zwar auch zu langsam für Vista und kamen deshalb mit XP Home Edition, aber dem Anwender waren 700 US$ Aufpreis für einen Touchscreen einfach zu viel - und XP konnte das selbe wie Vista, nur schneller.

Bild ohne Beschreibung Netbooks und das iPhone besiegelten letztlich das Ende der UMPCs. Vista sowie Windows 7 haben erst gar keine eigene Tablet PC-Edition mehr und bringen die Tablet-Erweiterungen im Standardlieferumfang mit. Langsame Intel Atom-Tablets für den Enthusiasten und leistungsstarke, aber auch wieder 2000 US$ teure, Rugged-Tablets (etwa von Motion Computing) für den Outdoor-Einsatz haben sich die Jahre am Markt gehalten.

Auch Origami vermochte nicht das Grundproblem von Windows auf Tablets zu lösen: Wenige Klicks und man wurde auf den klassischen Desktop zurück geworfen, der entweder nur umständlich mit Fingern zu bedienen war oder wegen hoher Skalierung keinen Platz für Inhalt und Fehldarstellungen älterer Anwendungen bot. An dem Problem litten Netbooks und das iPhone nicht.

Nach Veröffentlichung von Origami Experience 2.0 wird es daher erstmal für einige Jahre still um die Tablet-Pläne von Microsoft: Man ruht sich auf den Stift-PDAs mit Windows Mobile und den durchschnittlichen Tablet-Verkaufszahlen seiner Hardwarepartner aus, bewirbt die Touch-Funktionen nicht weiter. Das sind die Jahre, in denen sich Ballmer über das iPhone wegen seiner fehlenden Tastatur lustig macht, nicht an dessen Zukunft glaubt und weiterhin die Kombination Stift und PDA oder UMPC für die Richtige hält. 2009 schaltete Microsoft die Seite origamiproject.com (Externer Link) ab und stellte jegliches Marketing für diese Gerätklasse ein. Bis heute wird die Nische Netbook/UMPC von Herstellern wie GPD mit ihren Pocket und Win3 bedient, wenn auch diese nicht mehr als UMPC beworben werden.

Video eywi0h_Y5_U auf YouTube ansehen


Daran, dass es für den Endanwender deutlich ergonomischer ist unterwegs ein kleines Gerät einhändig bedienen zu können - was bei Stift-Tablets und UMPCs einfach nicht möglich war - dachte er nicht. Es folgen Jahre ohne Taten, in welchen sich Apple und Google in einem neu geschaffenen Smartphonemarkt breit machen werden, da man sich mit PDAs und dem großen Marktanteil in einem sicheren Gewässer wähnt.

Schockstarre Windows 8

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Mit aufkommen erster Android-Geräte von Google, die das Bedienkonzept des iPhones nahezu komplett übernommen hatten, hatten Kunden eine noch günstigere Option für mobiles Entertainment und Internet. Google, keine Lizenzgebühren verlangend, war mit seinen Hardwarepartnern sehr erfolgreich und begann damit den Platzhirschen Nokia (mit seinen inzwischen antik wirkenden Tastentelefonen und halbgaren Touchhandys) sowie auch Microsoft (mit ihren Stift-PDAs und Windows Mobile) aus dem Markt zu drängen. Sie boten Internet und Multimedia on the go für vergleichsweise wenig Geld und vereinten Audio- und Videoplayer, Kameras und Internet in nur einem Gerät. Wer denkt heute noch daran eine (Video)kamera, einen Discman, UMPC und ein PDA/Handy mitzuschleppen?

Bei Nokia und Microsoft schrillten die Alarmglocken, es musste dringend eine Lösung für die immer größer werdenden Verluste an Marktanteilen her. Microsoft fehlte die Hardware, Nokia fehlte bis dahin eine massentaugliche Software die die geänderten Konsumentenansprüche bedienen konnte.

Bild ohne Beschreibung Noch unabhängig von einander begann bei Microsoft die Arbeit an Windows Mobile 7. Sie begannen die Oberfläche des Systems von Stift- und Mausbedienung weg auf Finger-Eingabe anzupassen und haben sich dabei von ihrem Media Center bzw. Origami Experience - aber allem voran vom iPhone - inspirieren lassen. Die Entwickler konzentrieren sich ganz besonders auf Multitouch- und Gestensteuerung, um mit ihrem Betriebssystem auch Privatkunden wieder für sich zu gewinnen.
Am Ende kam eine Kachel- und Hub-basierte Oberfläche heraus, welche das System in Themenbereiche wie Social Media, Kontakte und Kommunikation, Fotos, Videos und Spiele unterteilte. In nur einer App konnten mehrere verschiedene soziale Netzwerke in nur einem Feed vereint werden. Zentrales Element im Hauptmenü wurden Live-Kacheln, kleine Gadgets die aktuelle Informationen aus den dahinterliegenden Apps anzeigten, etwa bevorstehende Termine, Benachrichtigungen, Fotos oder Wetter.

Windows Phone 7, mit HTC als dessen größter Hardwarepartner, schaffte es tatsächlich einige Marktanteile für sich zu gewinnen, ungleich Google hat Microsoft von Herstellern wie ZTE und HTC aber Lizenzgebühren von bis zu 24€ pro Gerät verlangt. Mit der schon etablierten Alternative Android sparten sich die Hersteller also Geld. Rückblickend liegt hier der erste große Fehler seitens Microsoft.

Nokia schaffte es indes mit Maemo weiterhin nicht ein neues System für seine Mobilgeräte zu etablieren und Versuche Symbian auf den Stand der Dinge zu bringen scheiterten ebenso. Die Geräte blieben Ladenhüter und die Kundschaft wanderte zu Android und seiner bunten Appwelt ab. Ich erinnerte mich noch gut wie ich, einst ein großer Fan der Nokia-Designerserie (N96, X6, 6300, 7610, 7650), die Hoffnung auf eine Trendwende verlor. Ich ärgerte mich ab Tag eins auf meinem N96 und später X6 über eine langsame Oberfläche und wirklich billig anmutende, nutzlose Apps im Ovi-Store, während Bekannte und Freunde mit brandneuen, standortbasierten Apps wie Grindr ihren Spaß hatten.

Zusehends unter Druck, gingen Microsoft und Nokia ein milliardenschweres Bündnis ein. Microsoft schob Nokia Milliarden zu und gab ihnen Windows Phone ohne Lizenzkosten obendrein. Dies verärgerte bestehende Hardwarepartner, die Lizenzgebühren zahlen mussten, so sehr, dass sie aufhörten Windows Phones zu vertreiben oder zu vermarkten und fokussierten sich indes noch mehr auf Android. Man mag es kaum glauben, aber auch Samsung hatte mal Windows Phone im Portfolio. Der Netbookmarkt war wegen Marktsättigung inzwischen am abflauen, kamen plötzlich massenweise Android-Tablets als "neuer, heißer Scheiß" auf den Markt, nachdem Apple sein iPad vorstellte. Apple galt inzwischen als Trendsetter. Was sie machten, mussten alle genauso nur günstiger auch machen. Ungleich dem Fehlversuch mit UMPCs waren diese Tablets aber allesamt auch auf die Eingabe mit Finger optimiert, hatten ordentliche Laufzeiten und waren für den Konsum von Medien perfekt. Günstig gab es sie auch. Microsoft und Nokia hatten keine Antwort darauf, die einst größten Player waren in diesem Markt einfach gar nicht vertreten: Tablets im 600€-Preissegment mit Windows 7, etwa das Archos 9, waren etwa auch nur mit einem Atom Z510 und 1GB RAM ausgestattet. Schon beim Release so langsam, dass es keinen Spaß machte.

Nokia hatte indes mit Intel auch an MeeGo gearbeitet. Es basierte auf Maemo, wurde oberflächlich allerdings komplett auf Toucheingabe angepasst. Es kam nur ein Gerät damit auf den Markt, das Nokia N9. Es erhielt sehr gute Kritiken und auch das System war schnell und intuitiv zu bedienen. Trotz des kleinen Erfolges hielt Steven Elop, ein ehemaliger Microsoft-Mitarbeiter und damaliger CEO von Nokia, an Windows Phone als einzige Lösung fest und stellte klar, das unabhängig vom Erfolg von MeeGo es definitiv keine weiteren Bestrebungen geben werde, das System weiter zu entwickeln. Das Nokia N9-System war damit zum Marktstart schon eine tote Plattform. Steven Elop sollte dadurch als Trojanisches Pferd in die Geschichte von Nokia eingehen und die Entscheidung, sich Microsoft völlig auszuliefern obwohl man endlich eine gute Lösung erarbeitet hatte, wird heute als ein Hauptgrund für Nokias Niedergang gesehen.

2011 veröffentlichte Nokia schließlich das Lumia 800, es basierte sogar auf dem Nokia N9-Hardwaredesign, mit Großevents um die Bekanntheit rasch zu steigern. Das Lumia 800 war tatsächlich erfolgreich (Externer Link) und konnte 8% Marktanteil von Android und iOS zurück holen.

Video nBsO3_XpH0Q auf YouTube ansehen


Leider sollte die Erfolgsgeschichte hier auch wieder enden.
Microsoft plante die Oberflächen und Programme von Windows und Windows Phone über alle Geräteklassen hinweg vereinheitlichen. Einerseits wollte man es so Entwicklern leichter machen Programme von Windows PC auf Phone und umgekehrt zu portieren, andererseits so indirekt von der Marktmacht von Windows PC im Mobilsektor profitieren, erhoffte man sich doch viele Nutzer der Apps damit.

Bild ohne Beschreibung So kam es dazu, dass Microsoft die Oberfläche von Windows 8 derart veränderte, dass selbst der Start-Button raus flog. Wer den PC weiter mit Maus bediente, musste in Bildschirmecken fahren und Mausgesten ausführen, die unsichtbare Elemente erscheinen ließen. Das Startmenü flog raus, es gibt nun einen Startscreen mit Livekacheln wie bei Windows Phone 8. Dem nicht genug, dass man ein PC- und Handy-Betriebssystem ohne Apps im Store hat, führt man obendrein Windows RT für Billig-Tablets ein, welches nur Apps aus dem Microsoft Store ausführen kann und zu PC und Handy ohne Anpassungen durch Entwickler inkompatibel war. Desktop-Anwender sahen zurecht in funktionseingeschränkten Apps mit Vollbildzwang keinen Mehrwert, behindert es das Multitasking doch erheblich.

Windows Phone 8.0 indes konnte nicht an den Erfolg des Vorgängers anknüpfen (Keine Apps, gebrochene Updateversprechen). Die Marktanteile Nokias, inzwischen in völliger Abhängigkeit davon, wuchsen nicht mehr weiter. Nachdem Nokia durch die Milliardenförderung durch Microsoft der Hauptfertiger von Windows Phones wurde - andere Hersteller wurden längst vergrault - kamen Gerüchte auf, dass Microsoft die weiter strauchelnde Firma zu übernehmen plane. Steve Ballmer musste indes 2013 wegen des enormen Druckes des Aufsichtsrates im Angesicht von Milliardenverlusten abdanken und Satya Nadella, vormals zuständig für das Cloudgeschäft, übernahm das taumelnde Schiff. Sogleich ruderte Microsoft am Desktop mit Windows 8.1 zurück und führte den sichtbaren Startbutton für den Desktop wieder ein.

2014 schließlich kaufte man Nokia. Elop wechselte als Vice President der Microsoft Devices Group zu seinem alten Arbeitgeber zurück und erhielt dafür 19 Millionen € Abfertigung. Nicht mit einer Wimper zuckend entließ er zusammen mit anderen Managern zeitgleich 12.500 der 25.000 übernommenen Mitarbeiter Nokias um Doppelbelegungen zu vermeiden, schon vor der Übernahme kosteten seine Fehlentscheidungen tausenden Mitarbeitern ihren Arbeitsplatz.

Letzten Endes hat Microsoft mit Windows 8 den teuersten Fehltritt seiner Geschichte hingelegt:
Erst versprach Microsoft Updates für Phone 7-Nutzer, die dann aber ausblieben, da die Kernelarchitektur von Windows Phone mit 8.0 von CE auf den NT-Kernel wechselte und die Phone-Systeme zueinander inkompatibel wurden (der NT-Umstieg war einer angestrebten Kompatibilität mit dem Desktop geschuldet), dann vergraulte man obendrein die PC-Kundschaft mit einer mausfeindlichen PC-Oberfläche, womit Windows 8 am PC im Nachhinein noch unbeliebter als Vista wurde. Anwender blieben bei XP, Vista oder 7.
Damit verbunden kam es auch nicht zur erhofften App-Flut: Der Windows-Store war tot, bevor er überhaupt zu atmen begann. Die Spirale drehte sich immer weiter: Die Kunden verstießen die Mobilplattform und wechselten zu Android oder iOS mangels Apps und dann mangels Zielpublikum sprangen immer mehr Appanbieter von der Plattform ab oder entwickelten erst gar keine Windows-App.

Windows RT Tablets blieben damit fast automatisch Ladenhüter, da es keine Anwendungen dafür gab. Einzig surfen im Internet konnte man damit, jedoch nur mit Internet Explorer - und der war längst als Krücke angesehen und Mobil wie am Desktop von Firefox/Chrome verdrängt worden.

Kaum eine App, die auf Phone funktionierte, gab es für PC. Ich erinnere mich an Grindr-Alternativen wie Meet'm, die nur für ARM raus gebracht wurden. Damit ist das Versprechen plattformübergreifender Apps auch gebrochen worden. Auch Google verweigerte Windows Apps anzubieten, so gab es YouTube immer nur über den Browser. Versuche Microsofts eine eigene YouTube-App zu bauen wurden durch Google aktiv unterbunden (Externer Link).

Windows 10 und 11: Das Leben danach

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Denselben Fehler wieder machend, wurde entgegen aller Versprechungen nicht für alle Windows Phone 8.x-Geräte ein Update auf Windows 10 Mobile angeboten. Verärgert darüber wechselten erneut viele Kunden zu iOS und Android.

Das neue Updatemodell von Windows 10 mit halbjährlichen Hauptversionen und regelmäßigen Updates durch den Appstore sorgte für das Gefühl einer "ewigen und unfertigen Baustelle" bei verbliebenen Anwendern, Apps wurden im Funktionsumfang eingeschränkt oder gar gestrichen. Aufgrund der sinkenden Marktdurchdringung der Lumia-Geräte sprangen dann auch die letzten Appentwickler ab (etwa Sparkassen oder Bahnunternehmen).

Im Oktober 2017, der Marktanteil bei verkauften Geräten lag bei 0,1%, zog Microsoft schließlich den Stecker:
Die Windows 10 Mobile-Sparte wurde für End of Life erklärt und aufgegeben, bis heute hat Microsoft keine Versuche mehr unternommen, um im Mobilmarkt mit einem eigenen Betriebssystem Fuß zu fassen - der Markt ging zu 100% an Apple und Google. Das Windows RT-Desaster alleine kostete Microsoft 900 Millionen US$ (Externer Link), die Milliardenverluste am Smartphonemarkt durch die Auflösung von Nokia/Microsoft Mobile sind hier noch gar nicht eingerechnet.

Satya Nadella richtete Microsoft auf das nunmehr wichtigere Cloudgeschäft Azure und Produkte wie OneDrive und Office 365 bzw. generell wieder mehr auf Firmenkunden aus. Diese Entwicklungen ermöglichten es Microsoft den Unternehmenswert wieder auf ein Allzeithoch zu steigern und sie überholten Apple schließlich im Oktober 2021, womit Microsoft wieder das wertvollste Unternehmen der Welt ist.

Bild ohne Beschreibung Am Desktop verbleibt von all den Fehlleistungen unter Windows 10 ein Tablet-Modus, den keiner absichtlich zu nutzen vermag. Er zwingt Programme in den Vollbildmodus und mehr aber auch nicht, die anderen Touchfunktionen sind wieder stiller Bestandteil wie schon zu Windows 7-Zeiten. Während Windows 10 also schon deutlich einen Schritt zurück ging, tat es Windows 11 umso mehr: die Live-Kacheln und der Tablet-Modus wurden gänzlich entfernt, die Live-Updates erhält man nun wieder über Gadgets wie sie schon in ähnlicher Form unter Vista und 7 vorhanden waren - einzig mit dem Unterschied, dass sie in einem Taskleistenmenü und nicht erweiterbar untergebracht wurden. Sehrwohl achtet Microsoft bei der Neuimplementierungen von Grundfunktionen wie dem Explorer weiterhin auf Touch-Kompatibilität - etwa werden ab Windows 11 Kontextmenüs auf das wichtigste reduziert und größer dargestellt.

Mobil fokussiert sich Microsoft heutzutage auf die Bereitstellung von iOS/Android-Apps wie Office inklusive all dem Business-Ballast wie Teams und Exchange. Windows 11 vorinstalliert zwar eine abgespeckte Teams-Version und weckt damit Erinnerungen an die glorreiche MSN-Messenger-Zeit, jedoch ist mit einem Erfolg von Teams im privaten Sektor aufgrund etablierter Alternativen wie WhatsApp nicht zu rechnen. Skype starb schon deshalb aus, selbst die Corona-Pandemie brachte ihm und Teams keine dauerhaften Marktanteile im privaten Sektor mehr ein.

Microsoft stieg inzwischen auch wieder in den Hardwaremarkt ein und vertreibt teure Tablets (Externer Link) und Convertibles, auf denen Windows 11 vorinstalliert wird. Freilich für Stift- und Fingereingabe mit Businesskunden im Fokus.
Bei Smartphones sind ihre Aktivitäten auch nicht gänzlich eingestellt, setzt man in den USA jetzt auf den Vertrieb von Android-Geräten mit vorinstallierten Microsoft-Apps und Launchern um die Kundschaft in die eigene Cloud zu locken, der weltweite Markt interessiert sie aber offenbar nicht mehr: Der österreichische Store (Externer Link) bewirbt noch heute ein Lumia 950XL. Amerikaner bekommen neuerdings ein von Microsoft selbst entwickeltes Surface Duo 2, ein faltbares Android-Handy mit zwei Bildschirmen. Gar nicht so dumm die Idee eigentlich, aber 1599€...? Das ist weit von der ehemaligen "UMPC for 600 US$"-Sphäre entfernt und wird ein Nischenprodukt bleiben.

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