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Zwischen MS-DOS 3.2 und MS-DOS 4.00 gab es ein exotisches Betriebssystem namens "Multitasking MS-DOS" (offizielle Schreibweise laut Beta-Dokumentation: M/T MS-DOS; ich werde es hier aber der Einfachheit wegen MTMS-DOS nennen) mit den Versionsnummern 4.00 und 4.10. Microsoft entwickelte es auf Basis von MS-DOS 2.0, später 3.3 unter Verwendung der Programmiersprache C (das ursprüngliche MS-DOS wurde im Kern mit Assembler programmiert) fast vollständig neu und veröffentlichte es 1986 in Form von OEM-Versionen für IBM-kompatible PCs auf dem US-Markt.
Es beherrschte, wie auch Windows 1.0x und TopView, nativ die Möglichkeit, mehrere DOS-Anwendungen (bis zu 6 mittels Session Manager SM.EXE in der Beta) parallel mittels kooperativem Multitasking im Real-Mode auszuführen. Dafür wurde es um einen PIF-Editor erweitert, der es erlaubte, eine bestimmte Menge an Arbeitsspeicher für die diversen Anwendungen zuzuweisen (dieses Dateiformat führte TopView ein). Zudem ist eine SWAPPER.EXE (wohl um Programme aus dem Arbeitsspeicher auf die Festplatte auszulagern) und eine QUEUER.EXE (ein Drucker-Spooler) Teil des Lieferumfanges. Version 4.10 kam zusätzlich auch mit einer PS.EXE, einem - offenbar aus Microsoft XENIX entlehnten - Prozessbetrachter.
![MS-DOS 4.00 mit dir Befehl MS-DOS 4.00 mit dir Befehl](./upload/files/thumbs/1_multimsdosdir.png.jpg)
Da es versuchte, einige Unzulänglichkeiten des bisherigen MS-DOS zu beseitigen (jedoch nicht die 640 KB-Grenze, was sich beim Multitasking natürlich als Flaschenhals erweist), war es größtenteils nicht mehr kompatibel mit damaligen Anwendungen. Zudem hätten diese gezielt auf dieses System umgeschrieben werden müssen, damit sie die parallele Ausführung mit anderen Anwendungen erlaubten. Andernfalls konnten sie weiterhin nur alleine ausgeführt werden.
![Kommandozeilen-PIF-Editor Kommandozeilen-PIF-Editor](./upload/files/thumbs/1_pifedit.png.jpg)
Abgesehen von der Bündelung mit einigen OEM-Systemen fand das System keine Verbreitung. Microsofts Plan, es als direkten Nachfolger von PC/MS-DOS 3.x (daher auch der Name MS-DOS 4.00) zu veröffentlichen und dafür ein GUI ähnlich dem von Windows 1.0x zu entwickeln, wurde rasch verworfen:
IBM bekundete daran kein Interesse, da man lieber ein PC-DOS-Nachfolgesystem entwickeln wollte, das die Vorteile des 286ers tatsächlich ausnutzt: Wir kennen dieses heute als OS/2. Vermutlich war mit ein Grund für IBM, welche Erfahrungen sie bereits zwei Jahre zuvor mit TopView machten.
Sich der damaligen Marktmacht von IBM beugend, ließ sich Microsoft darauf ein. Tatsächlich flossen jedoch Ideen und Teile des MTMS-DOS-Codes in OS/2 1.x ein, wie einige entdeckte Gemeinsamkeiten und Berichte von damaligen Angestellten belegen. Dies macht MTMS-DOS zum direkten Vorgänger von OS/2.
Nach Unterzeichnung des OS/2-Paktes mit IBM veröffentlichte Microsoft eine Version von MS-DOS 4.00, die auf dem bisherigen MS-DOS-Code basierte und einen schwerwiegenden Bug in der EMS-Speicherverwaltung hatte. Dessen Bugfix-Version 4.01 fand dann schließlich größere Verbreitung, hatte aber mit MTMS-DOS 4.00 nichts gemeinsam.
![Wechsel zwischen zwei laufenden Programmen via ALT-Taste Wechsel zwischen zwei laufenden Programmen via ALT-Taste](./upload/files/1_multimsdospv.gif)
Eine Kopie des Systems kann hier bezogen werden:
Multitasking MS-DOS Version 4.00 (5.25).7z.
Auf Diskette 2 befindet sich KEYBGR.COM, der deutsche Tastaturtreiber. Festplatteninstallation via
fdisk,
format c: /s,
sys c: und
copy *.* C:.
![Die README Datei der Beta-Diskette 1 Die README Datei der Beta-Diskette 1](./upload/files/thumbs/1_mtmsdosbetareadme.png.jpg)
2024 wurde tatsächlich - und sogar mit Microsoft's Segen -, eine (laut README) auf MS-DOS 2.0 basierende Betaversion von MTMS-DOS veröffentlicht. Die Diskettenimages sind auf
Github ![(Externer Link) (Externer Link)](images/link.gif)
zu finden.
Da der MTMS-DOS-Quellcode im Microsoft Archive, den man eigentlich suchte, nicht mehr zu finden war,
entschied sich Microsoft ![(Externer Link) (Externer Link)](images/link.gif)
stattdessen den Quellcode des "normalen" MS-DOS 4.00 als Open Source zu veröffentlichen, den sie bei ihrer Archivsuche gefunden haben.
Sie versprachen den MTMS-DOS-Quellcode nachzureichen, sollten sie irgendwann doch noch fündig werden.